Spirituelle Kurztexte und Gedichte begleiten mich seit längerem. Hier sind einige zu finden. Sie ruhen auf Bildern unterschiedlicher Spiritualitäten.
Text des Monats
Wüstennachtwind
Durch die Wüste gewandert bist du
den ganzen Tag nicht nur
wahrhaftig: ganze Tage
die Spuren einer Karavan‘ ergänzend
die nächster Sturm in seinen Rucksack packen wird
hinter den Mauern von Oasenstadt
findest du Rast
verbirgt der rote Abendhimmel dich vor dir,
in einem schützenden Gemäuer
liegst du nach Abendmahl gebettet
für das prächt’ge Sternenlicht der klaren Nacht
deren Kommen still und leise nicht an deine Türe klopft
es reicht das Flackern einer Kerz an deinem Bette nicht,
es zuckt wie Engelhauch am Flammendocht
in frisch gefall’ner Dämmerung in deinem Herz
es glüht in jener Kühl‘
mit der der reinigende
Wind der Wüstennacht
zart deine Wangen streichelt
dir deine Augenlider kost
Gebet der Hingab‘ an die Wüste
ihre palmgesäumte Quell‘
an ihre kleine Stadt
ein liebevoller Gruß
durch off‘nes Fenster wehend
dir zur guten Nacht
Wohin ich mich auch wende
Wohin ich mich auch wende,
da ist kein Ort, wo du nicht bist,
da ist kein Anfang und kein Ende,
und keine Zeit, in der dein Sein nicht ist.
Du wohnst in allen Wesen,
den belebten und den unbewegten,
Analphabeten, die in dir direkt sich lesen,
die in jener schweigend, unerregten,
ungeschriebenen Schrift an dir sich laben,
im leeren Buchstaben nur Heimat finden,
der wie lichtdurchtränkte Schwaden
sie umgibt und hält, ohne zu binden.
Du bist im Gras, im Strauch, im Baum,
im Berg, im Tal, im Fluss. Und kaum
erahnt, erspürt, atmet man dich,
und traut sich selbst noch nicht,
dagleich ergreift und führt uns Sehnsucht,
stark wie eine fast verfluchte Sucht,
und nimmt und gibt uns Heimat,
die schwer trägt an dem silbernen Brokat
des leichten Jochs, das dein Lob singt
in einer Wolke Wohlgeruch,
in jenem Wort, das das geheimnisvolle Buch
stets voller Energie im All durchdringt.
Du ruhst und blühst in allen Dingen
so wie der Lotus auf dem See im Schlamm,
so wie des Adlers leichte Schwingen
den blauen Himmel über jedem Kamm
wie Gottes Schritte durch das All
ganz unberührt durchschreiten,
wie Schwingung sich als Schwung und Schwall
in alle Himmelsrichtungen zugleich verbreitet.
Du bist das Antlitz, bist die Augen,
bist Ohren und sensible Hände,
die stillen Sinne im geschöpflichen Gelände,
die jenen Kuss sich aus dem Kosmos saugen,
der sich im Atem selber schenkt
zu Gottes heil‘gen Füßen,
ganz ungeniert und unbedrängt,
vor allem Retten, allem Büßen.
Du bist die ungeschriebene Bundeslade,
Sprachlosigkeit und Sprache,
die im Zusammenspiel das Herz behüten,
das zeitlos gestern schon verglühte.
Bist Form, Bewusstsein, Energie,
darin das Nichts, das Nie,
bist eins in Hingabe
und Gnade.
Angeregt von einem hinduistischen Gebet von Gopala Dasa (18.Jh)
audio
Trost
stammt aus zweiter Hand
alt und vermoost,
so verbirgt er den Stein an
der Weggabelung,
an der Kreuzung zur Kreuzigung -
Fels, der im Boden, der Erde
fest ruht ohne Werden,
mild, sacht uns bemut-
tert in Armut und Demut
Trost, eine Fabel mit Makel und Mangel,
ein Mythos, der lange schon bange
uns macht in der Angst um Verlust,
nur ein enger Ersatz, bloß Verdruss,
der am Echten vorbeilebt,
vorbeigeht am einzigen ehrlichen Weg,
der im Atmen des Atems sich haucht,
wie der wehende Wind halt mal faucht
und mitunter zu ruhen geruht,
Kraft und Luft, Licht in unserem Blut
Trost ist vergeblich, verharmloste Flucht,
des schiffbrüchigen Balsams verlorene Bucht,
ist Verrat an der Wahrheit,
die heiter, beharrlich in Klarheit,
geduldig das täuschende Irrlicht
mit Liebe am Leuchtturm zerbricht.
Das Vermeiden vermeiden,
sich willenlos dazu entscheiden,
heißt fortwährend sich hinzugeben,
heißt herzlich zu lieben und ewig zu leben
Sein
Nach grobem Brechen
Erlahmtem Lechzen
Ausgeleiertem Ich
Das Ende der Sicht
Weites, waches Bewusstsein
Licht und leer
Ein glimmernd‘ Meer
Im Herz ein Kerzenschein
Schleierlose, bloße Nacktheit
Im Grunde dichte Dunkelheit
Hingabe an Gnade
Geschehen ohne Pfad
nichtig sind Werden
Wachen und Tun
simple Stille erden
nur das bist du
Maya
Das Spiel der Illusion
in Licht, Gefühl und Ton,
im Schmecken, Spüren, Tasten,
im Sehen, Riechen, Rasten
auch im sinn-negierten Fasten,
im Ausstrecken und Ausrasten,
im angstgemachten Denken,
im angestrengten Lenken
füllt Sphären, Mären, Mythen,
die nur im Wunsch erblühten,
im Woll’n der Sehnsucht glühen,
im Hang, sich hart zu mühen
und wohl und gut zu fühlen
zwischen allen starren Stühlen,
in Hunger und Besessenheit,
in SELBST-, nicht Selbstvergessenheit,
in bodenloser Sucht und Suche,
die gern mit Wucht für sich verbuchte,
was doch Geschenk und Gnade ist,
in einer Welt, die all das frisst,
was nur vorübergehend ist,
sich übel fühlend, betend Deals erschließt,
befehdend sich mit einer fiesen Allmacht,
die darüber schallend, liebend lacht.
Dies Spiel, ach, es leiert aus,
macht – dauernd – den Garaus
sich selbst. Es mehrt die Last,
solang’s den Traum umfasst,
und fährt den Leierkasten
gegen den Zirkusmasten,
der das Zelt und seine Welt
hält, ehe es zusammenfällt,
gegen die unsichtbare Wand,
gegen die Tür, die weder Rand,
noch Planke oder Griff besitzt,
in die kein Name je geritzt
und die den Blick zurück,
all‘ Suche nach dem Glück,
ungefragt dir untersagt,
und auf ein Land vertagt,
das hoffnungslos im Nebel
liegt; du suchst den Hebel
an der Pforte noch vergeblich,
als sie, bereit, längst gut vernehmlich
in ihren Angeln pocht und knarrt
und deines nächsten Schrittes harrt.
Die Wahrheit liegt im Sprung, im Scheitern -
so geh nun, nur einen Schritt noch, weiter.
Maya
audio
Wolke
Die den Himmel verdunkelnde Wolke
verdunstet hinein in den Ursprung der Welt
regnet rege sich ab an lebendigen Bergen
im Atem des ewigen Augenblicks,
leuchtend im Herz seiner kostbaren Ruhe
fall‘n leis reife Früchte von selbst
auf die Mitte des Weges, still
neben das nachttaubefeuchtete Gras
Gekocht in siedendem Öl
gehärtet im Feuer
so dicht am, im dunklen Licht
das dein Zaudern und Zögern
so gar nicht interessiert,
etwas hält deine Schnauze im Dreck
bis du verstehst,
gewandelt auferstehst,
Ich wollt, ich könnt‘ zaubern
dir all das ersparen
Entwicklungen überspringen
Verletzungen ungeschehen machen -
doch wie fändest du dann je
deine Unverletzbarkeit im Kern
dein inneres, strahlendes Licht
wenn du den Weg nicht selber gehst
mit Haut und Haar
ganz zu dir kommst
ganz bei dir bist
zur Quelle zurückkehrst
und in sie springst?
auf dem Weg
gingen andre vor dir
gehen andere mit dir
auch du bist gesegnet
Du atmest den Grashalm
über den dein nackter Zeh hinwegstreift,
die Berge, hinter denen der Mond sich versteckt
fallen dir in die feuchten Augen,
der Vogel im Baum singt sein Lied
der Frosch im Teich quakt seinen Takt
in deinem Innenohr in einer Pracht
die niemand macht, kaum einer hört,
der Wind betört sensible Haut dir
im streichelnden Säuseln der Zeit,
und der Mensch, den du liebst
ist in alledem - als du selber,
eine Lebendigkeit, heller als die Sonne
entfaltet sich höher als der Himmel
als Schwingung durchdringt sie den Raum
in der Empfindsamkeit deiner Sinne
schweigend in der göttlichen Stimme,
du atmest das feine Zittern des Grashalms
neben deinem nackten Fuß, die Erde selbst
und lächelst als Blume in der Hand eines Weisen
Wunde
Einschneidend und schwärend
brennt das Irdische im Irdischen
ruft zu wachsen und zu heilen
unter dem Verband zu spüren
das, was alle still verbindet,
heißt zugleich der Liebe Grenzen akzeptieren
fordert, fördert Demut, Hingabe
und im Spür‘n zu bleiben
mit allen Sinnen
und all‘m zum Trotz zu lieben,
brennend, Brände löschend,
unser Herz für das zu öffnen
das, größer als wir, uns trägt
und in seinen heilend‘ Händen birgt
in das wir fallen und dort finden
Heimat, Frieden, Liebe,
in der Stille, in der Ruh der Wund
atmend durch den Schlund des Schmerzes
sanft hindurch ins Herz
Traurigkeit
Dein altes Sein, einstmals bewährt
als Welt und Selbst zurechtgezurrt,
die monarchische Monade
sie zerbröselt wie ein Butterkeks
von Leibniz ohne Schokolade
auf dem schwindligen Weg
des schwindenden Selbstgefühls
da zeigt sich eine Traurigkeit, vielfältig
die du nicht bearbeiten
und nur umarmen kannst
und mit ihr gleich die ganze Welt
die du doch letztlich selber bist
aus Porzellan und Glaskristall
in all ihrer Zerbrechlichkeit,
auch Worte, Konzepte gingen verloren
Erd- und Himmelsrichtungen
in deinem Alleinsein, unwiederbringlich
auch Freundschaften, Liebe -
obwohl intensiver geworden
verbleibend für wenige Wesen
und dennoch nunmehr für alle -
evaporierten wie Holzscheit
im Feuer des sterbenden Strebens
Altaropfer deines belanglosen Fallens,
und in seiner Vase blauer Blumen
wie auf den Stufen zum Allheiligen
füllt und küsst Melancholie den Raum
nein, keine geistige Trägheit des Mönches
keine Depression von Bauer oder Ritter
naja, vielleicht ein Hauch von Überdruss
dass, was zu aus eigner Kraft zu leben war
gelebt ist, wie es ging, wie es verblasst,
doch nun verbleibt nur Ohnmacht noch
zwar nicht Untätigkeit, doch nur Nicht-Tun
darin ein Feingefühl für kleinen Wassertropfen
der aus der Himmel Höh‘ in deine zart‘ Handinnenfläche fällt
wie weiße Engelsfeder, wie transparent‘ Marienträn‘,
und alles ist gut, diese heilige Traurigkeit
diese verletzbare Offenheit durchlässiger Berührung
sie bewahrt dich davor, jemals wieder Herz und Hand
zu schließen, zu verriegeln, da bleibt nur späte Sensibilität
mit königlichem Siegel auf der dünnen Haut deines Herzens
das du verloren hast, nur um’s fürwahr zu finden dort
wo es schon immer war, in deiner dunklen Hochzeitsnacht
Taube
Die Liebe gurrend
im freien Flug
den Wind, tragend,
im weißen Federkleid
gewärmt noch in dunkeler Nacht
geführt vom Magnetfeld
der mütterlich‘ Erde
geschützt vor den Stürmen der Sonne
komme dein Flug
lautlos über die Erde
mit Weisheit der Eule
und Weitsicht des Adlers,
sanfter Flügelschlag
im stillstehenden Äther
bodenlos, mit ruhigem Atem
als Lufthauch des Herzens
berührend
Das Leben berühren
da, wo es zutage tritt
auch in der Nacht
auch die Nacht selbst
nicht wie man mit Samthandschuhen
einen heiligen Text ausrollt
sondern wie nackte Fingerspitzenkuppen
ein frisches, zartes Blatt berühren
wie deine Hand an einen Säuglingskopf sich schmiegt
ihn bergend, streichelnd, bettend und umfangend haltend
das Leben berühren
daselbst, wo und wie es auftaucht aus dem Ozean
erscheint in der Weite des Alls
dir auf die Füße tritt
im lehmigen Matsch des Lebens
ganz konkret auf diesen einen ungeschützten Zeh
vom Leben berührt werden
bereitwillig, jenseits des Willens
von der untergehenden Sonne
nicht minder als von der aufgehenden
von der Nacht nicht anders als vom Tag
in diesem sensiblen, intensiven Feld
wo Herz und Bauch Durchlässigkeit erlernen und erleben
im tief‘ren Herz, wo Demut in Hingabe wohnt
in stiller Zugehörigkeit zum Fluss
dem ewigen, des schöpferischen Atems
wieder still
Die Stille umfängt mich wieder
wie auch die Dunkelheit der Nacht
in der ein Kerzenlicht
mich Liebe spüren lässt
für alles, was da ist,
und die Leere im Inneren
wird wieder ruhiger
und sinkt in den Boden
mich erdend,
die Kirche, ihr Turm
vor meinem Fenster
steht still und so fest
auf ihrem Hügel
angestrahlt in gelbem Licht
und ein paar Sterne grüßen aus dem All
mich erinnernd an meine Sensibilität
meine Verletzbarkeit und Sterblichkeit
hier auf diesem verwundbaren Planeten
in all meiner Bedürftigkeit
lassen Geist und Körper fallen sich
in das, was mehr als Zuflucht ist
Ruhe und Heimat, Liebe und Weisheit,
nach all den Höllenängsten
find ich mich wieder in der Stille
in der stillen Dankbarkeit
des jetzigen Moments
nicht wissend, was da morgen kommt
was heut schon auf mich wartet,
erfüllt von dieser tiefen Liebe
streichelt etwas meine Seele
und es ist gut und gütig
nicht zu wissen, wer ich bin,
und einfach da zu sein
in dieser Liebe
wo das Herz zerspringt
und sich im Bersten seiner Teile
als Einheit wiederfind‘t
Mond
Du umkreist die Erde und die Erde dich
aus der du wardst gemacht
einstmals im Feuerkuss,
nun schaust du aus der Außenperspektive
sanft und sacht, wohlwollend und gelassen
auf all das irdische Geschehen
das um sich selbst sich dreht
und beleuchtest alle Szenerie in Nacht
birgst sie in deinem Licht
und bist ein gelber schützend Lampenschirm
für jede wort- und bilderlose Träne
die im Erdenrund sich selbst vergießt
ohne Warum und doch mit tausend Gründen,
du lenkst den Fluss der heilend‘ Weiblichkeit
die diese Erde birgt und küsst
aus deinem Herz, das all‘s umarmt
mit einer Liebe, die da größer ist
als jede Drehung im Weltenmeer, im Weltallrund,
du schenkst den Weltengeist
der uns das Herz erfüllt,
in deine größ’ren, güt’gen Hände legen wir
in jener Stille, die uns alles ist im Nichts
einen jeden Atemzug und
eine jede Zelle unsres Seins,
dir geben wir uns hin
um in ruhende, tragende Heimat
in deinem zarten Licht zu fall’n
und dort in Liebe und Ganzwerdung
in weiser Hoffnung tief geborgen zu verweilen,
du bist Zuflucht, Zuhause uns
wenn wir auf hartem, sterblichem Planeten
uns exiliert als Flüchtling
in der Innenwelt erleben, spüren
du kündest von der Liebe uns
die alles Leben übersteigt
wenn du groß, gelb und rund aufsteigend
am Himmelshorizont
über dem weiten Meere scheinst
das dein Bild, dein Licht uns reflektiert
und unsre Augen füllt,
sei du das Herz, das uns das unsre füllt
das größ‘re Herz, das als das unsre glüht
in Gnade
Eine Träne
sammelt sich
rollt einsam
aus dem Augenwinkel
fließt über die weiche Wange
stürzt in den Abgrund
des Herzens
sprachlos, spurlos
umarmt und gehalten
in Liebe
und wird
zur Perle
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